Die unsichtbare Gefahr unter Wasser

    Seit Urzeiten haben die Menschen eine besondere Beziehung zum Meer. Dabei sind es nicht nur die praktischen Verbindungen, wie sie z.B. diejenigen haben, denen das Meer Arbeit gibt wie den Fischern, den Seeleuten, den Fischerei- und Meeresbiologen, den Arbeitern auf den Plattformen zur Erkundung und Förderung von Erdöl und Erdgas oder den Techniker auf den Offshore-Windparks.

    Es sind auch diejenigen, die immer wieder von der endlosen Weite der Meere, dem hohen Himmel über dem Meer, der Rastlosigkeit der Bewegungen, dem ständigen Wechsel von Ebbe und Flut oder schlichtweg von den ständig wechselnden Farben von Himmel und Meer begeistert sind, die dem Meer Geschichten, Lieder und Gedichte widmen, die die Farbspiele und Szenen von den Urgewalten der Wellen in Bildern festhalten.

    Die Nordsee ist schön, aber nach den beiden Weltkriegen auch immer noch schön gefährlich

    Noch heute, fast 100 Jahre nach Ende des 1. Weltkriegs und mehr als sieben Jahrzehnte nach Beendigung des 2. Weltkrieges besteht noch immer eine potentielle Gefahr durch Kampfmittel, die sich in unserer unmittelbaren Umgebung in Nord- und Ostsee befinden.

    Besonders nach dem Zweiten Weltkrieg wurden auf Veranlassung der Alliierten bzw. auch durch die britische und sowjetische Marine selbst große Mengen nicht mehr benötigter Kriegsmunition entsorgt.

    Alleine im Bereich der deutschen Nordsee geht man von ca. 1,3 Mio. Tonnen konventioneller Munition in den Munitionsversenkungsgebieten und den munitionsbelasteten Flächen aus. Zu den gefährlichen Kampfmittel zählen u.a. Granaten, Minen, Torpedos, Seeminen und Munitionskisten, die auf dem Grund der Nordsee lagern.

    Dabei sind diese Gebiete zwar klar in den entsprechenden Seekarten eingezeichnet, allerdings ist bis heute nicht sicher, dass sich die Munition nur in den eingezeichneten Sektoren befindet: Vielfach wurden Fischer oder Besitzer kleinerer Schiffe mit der Versenkung der Munition beauftragt. Diese konnten aber oft mangels unzureichender bzw. fehlender Navigationsmöglichkeiten die Positionen nicht immer exakt einhalten. Außerdem erfolgte die Versenkung vielfach im Akkord – schnelles Entladen der Schiffe und Boote außerhalb der Sichtweite der Häfen brachte zusätzliche Gewinne.

    Schlechte Witterung, oftmaliger Zeit- und Treibstoffmangel, technische Probleme aufgrund der Beschaffenheit der teilweise schrottreifen Schiffe haben ebenfalls dazu geführt, dass große Teile der todbringenden Frachten gar nicht erst bis zu den ausgewiesenen Versenkungsgebieten gelangt sind. Somit gibt es eine Vielzahl von Bereichen, die bis heute gar nicht genau bekannt, aber dennoch belastet sind und damit sind z.B. auch die Angaben über Seegebiete, die Wassertiefen und über die versenkten Arten von Kampfmitteln unbestimmt bzw. unbekannt.

    Ein weiteres Problem ist im Laufe der Jahrzehnte dadurch entstanden, dass der Meeresboden und seine Struktur in der Nordsee einer ständigen Veränderung unterliegen. Strömungen und Sedimentbewegungen, ja selbst die die Grund-Schleppnetzfischerei haben dazu geführt, dass sich Objekte heute oftmals an ganz anderen Stellen befinden, als dort, wo sie früher verzeichnet wurden.

     

     

    Auch chemische Kampfstoffe auf dem Meeresgrund

    Im Meer wurden allerdings nicht nur konventionelle Kampfmittel wie Spreng- und Brandmunition versenkt, hier wurden auch große Mengen Giftgas verklappt. Im Gegensatz zur konventionellen Munition sind diese Versenkungsgebiete auch relativ genau bekannt.
    Nach den Erkenntnissen von Kieler Experten handelt es sich dabei um die chemischen Kampfstoffe Senfgas, Tabun und Phosgen aus beiden Weltkriegen, von denen rund 170.000 Tonnen in den Seegebieten um Helgoland, im Kattegat, im Skagerrak, der Doggerbank, des Fladengrunds „entsorgt“ wurden.

    Der Munitionsschrott wird noch viele Jahrzehnte Gift im Meer freisetzen. Durch Analysen des Wassers und der Sedimente in den mit Kampfmitteln belasteten Gebieten konnten zwar sprengstofftypische Schadstoffe nachgewiesen werden, diese stellen jedoch nach Einschätzung der Experten keine signifikante Belastung der Meeresumwelt dar. Allerdings bestehen nach wie vor besondere Gefahren für Menschen, die in den belasteten Bereichen mit dem Meeresgrund in Kontakt kommen. Dabei sind in erster Linie Fischer bei der Ausübung der Schleppnetzfischerei mit Grundschleppnetzen betroffen und in der Vergangenheit bereits oftmals Opfer bei der Berührung solcher Munition geworden.

    Aber insbesondere auch im Zuge des Auf- und Ausbaus von Offshore-Windparks wird die Munition am Meeresgrund zusehends ein Problem: Das Personal für den Bau und Unterhalt von Offshore-Anlagen ist inzwischen in den Personenkreis der gefährdeten Menschen einbezogen worden.

    Zurückwerfen der Munition ist auch keine Lösung

    Nach den Vorgaben der See-Berufsgenossenschaft musste die in den Fangnetzen der Fischer gefundene Munition sofort wieder versenkt werden, wurde wieder „über Bord“ geworfen. Das geht noch von einem Fischereifahrzeug aus, aber wie soll das Problem gelöst werden bei Kampfmitteln, die in einem Seegebiet befinden, in dem Seekabel verlegt und Windkraftanlagen gebaut werden sollen? Um hier Unfällen vorzubeugen, müssen Baugründe und Trassen unter Wasser exakt erkundet und vorhandene Munition beseitigt werden, was die Arbeiten enorm verzögert und verteuert.

    Aufgrund des Zustands der Munition und der vielfach widrigen Verhältnisse unter Wasser bleibt oft nur die Möglichkeit, die Kampfmittel vor Ort zu sprengen. Es gäbe natürlich die Möglichkeit, dass professionelle Taucher die Munition am Seegrund aufsammeln könnten, was jedoch enorm gefährlich und zudem sehr teuer wäre. Daher werden die versenkten Altlasten mittels Tauchrobotern, also unbemannten Unterwasserfahrzeugen gesucht. Dabei gesammelte Munition, die nicht ohne weiteres detonieren kann, wird in roten Metallcontainern am Seegrund verbracht und gesammelt. Der Kampfmittelräumdienst sammelt diese Boxen ein und vernichtet den Sprengstoff dann in Spezialanlagen an Land.Große Seeminen und gefährliche Munition werden jedoch vor Ort in der Nordsee gesprengt.

     

    Munitionsräumroboter als Alternative ?

    Während es in den vergangenen Jahren um die gesamte Problematik der Munitionsbelastung der Meere auch von Seiten der Politik recht ruhig war – man konnte die Altlasten ja nicht sehen und man begnügte sich mit der Praxis, Munition nur dann zu bergen, wenn sie eine akute Gefährdung darstelle, kann diese Gefährdung heute wohl kaum noch geleugnet werden: Mit der aufwändigen Errichtung der Offshore-Windparks in Nord- und Ostsee, der Verlegung von Öl- und Gaspipelines und der Trassen für die mächtigen Energieversorgungskabel am bzw. im Meeresboden werden inzwischen dringend Lösungen angemahnt.

    Wurden bislang Blindgänger häufig erst dann gesprengt, wenn sie in der Nähe von Fahrrinnen entdeckt wurden, mussten und müssen nun die sich unter Wasser befindlichen Gebiet für die Bau- und Versorgungstrassen hinsichtlich der Altlasten zunächst akribisch untersucht und dann entsprechend beräumt werden, um Sicherheit für die Menschen und das Material zu gewährleisten, denn die gefährlichen Altlasten bedroht sowohl die Natur und behindert gleichzeitig den Ausbau der Windparks auf See. Dabei kommen eingesetzte Spezialschiffe mit dem gefährlichen „Aufräumen“ nur sehr langsam voran.

    Damit dürfte ein Projekt in dem Fokus der Aufmerksamkeit gelangen, bei dem mittels Roboter zunächst Kriegsaltlasten in der Ostsee zu Leibe gerückt werden sollen: Mit Hilfe der Technik sollen Granaten und Bomben am Meeresgrund „vollautomatisch unschädlich“ gemacht und dann zugleich „umweltgerecht“ ‚ entsorgt werden.
    Hierzu soll bis September 2018 der Prototyp eines umweltfreundlichen Roboters entwickelt werden, der von einer Plattform aus operieren und zunächst für eine Meerestiefe bis zu 35 Meter eingesetzt werden soll. Perspektivisch stellt man sich hiermit auch Einsätze bis zu einer Tiefe von 50 Metern vor.

    An diesem gemeinsamen Projekt sind unter anderem das Land Schleswig-Holstein, das Kieler Forschungsinstitut Geomar und das Unternehmen Heinrich Hirdes EOD Service (Hamburg) beteiligt.

    Die Bergung von Altmunition, ihre Entschärfung und fachgerechte Entsorgung dienen letztlich nicht nur der Sicherheit bei der Errichtung von Windparks für eine erfolgreiche Durchführung der Energiewende sondern bieten eine dauerhafte Sicherheit für die Menschen und die Umwelt und einer gesamten Region.

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